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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils EL 2018/34: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer bezog eine Ergänzungsleistung zur Invalidenrente, die aufgrund von Einkommensänderungen angepasst wurde. Nach dem Tod seines Vaters wurde ihm ein Anteil am Nachlass angerechnet, was zu einer Reduzierung der Ergänzungsleistung führte. Der Beschwerdeführer legte Einspruch ein, der jedoch abgelehnt wurde. Das Versicherungsgericht entschied, dass die neuen Einkommensregelungen rückwirkend ab März 2016 gelten. Der Beschwerdeführer reichte Belege für Gewinnungskosten ein, die jedoch nicht berücksichtigt wurden. Letztendlich wurde die Beschwerde abgewiesen, ohne dass Gerichtskosten erhoben wurden.

Urteilsdetails des Kantongerichts EL 2018/34

Kanton:SG
Fallnummer:EL 2018/34
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2018/34 vom 10.12.2019 (SG)
Datum:10.12.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG. Art. 23 ELV. Schwankendes Erwerbseinkommen. Gewinnungskosten. Beteiligung an einer Erbschaft (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Dezember 2019, EL 2018/34).
Schlagwörter : Bezüger; EL-Bezüger; Einsprache; Praxis; Verfügung; EL-Durchführungsstelle; Einspracheentscheid; Recht; Ergänzungsleistung; Versicherungsgericht; Arbeit; Anspruch; Anpassung; Sachverhalt; Erwerbs; Anspruchsberechnung; Erwerbseinkommen; Urteil; Eingabe; Praxisänderung; Entscheid; Lohnausweis; Einnahme; Monat; Gewinnungskosten; Vormonat; Vermögens
Rechtsnorm:Art. 17 ATSG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts EL 2018/34

Entscheid vom 10. Dezember 2019

Besetzung

Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin HuberStuderus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr. EL 2018/34

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, EL-Durchführungsstelle,

    Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand Ergänzungsleistung zur IV Sachverhalt

    A.

    1. A. bezog seit längerer Zeit eine Ergänzungsleistung zu seiner Invalidenrente. Ab Januar 2016 belief sich die monatliche Ergänzungsleistung auf Fr. 787.--. Die Anspruchsberechnung (act. G 3.2.22) wies als Bruttoerwerbseinkommen den Betrag von Fr. 6'800.-aus. Dies entsprach den in den beiden Lohnausweisen für das Jahr 2014 angegebenen Beträgen (vgl. act. G 3.2.45). Die EL-Durchführungsstelle forderte den EL-Bezüger am 4. Februar 2016 auf, den Lohnausweis für das Jahr 2015 einzureichen (act. G 3.2.13-1). Der EL-Bezüger reichte zwei Lohnausweise für das Jahr 2015 ein, die beide von der B. AG ausgestellt worden waren (act. G 3.2.13-3 f.). Der Bruttolohn hatte sich auf insgesamt Fr. 8'373.-belaufen. Die EL-Durchführungsstelle berücksichtigte dieses Erwerbseinkommen ab März 2016. Es resultierte eine monatliche Ergänzungsleistung von Fr. 708.-- (act. G 3.2.12). Die entsprechende Revisionsverfügung erging am 3. März 2016 (act. G 3.2.11). Der EL-Bezüger erhob eine Einsprache gegen diese Verfügung (act. G 3.2.9). Er machte sinngemäss geltend, die Lohnhöhe schwanke, da er von seiner Arbeitgeberin eingesetzt werde, wenn ein anderer Mitarbeiter krank sei Urlaub habe. Die EL-Durchführungsstelle wies die Einsprache ab (act. G 3.2.6). Dagegen erhob der EL-Bezüger eine Beschwerde (act. G 3.2.1).

    2. Am 1. September 2016 stieg der Mietzins auf Fr. 13'200.-- (act. G 3.3.65). Die ELDurchführungsstelle trug dieser Veränderung ab September 2016 Rechnung. Die monatliche Ergänzungsleistung belief sich neu auf Fr. 983.-- (act. G 3.3.62). Die entsprechende Verfügung erging am 4. August 2016 (act. G 3.3.61). Gemäss einer Austrittsbestätigung der Arbeitgeberin vom 3. November 2016 endete das Arbeitsverhältnis mit dem EL-Bezüger am 30. November 2016 (act. G 3.3.59). Die Anspruchsberechnung ab Dezember 2016 wies deshalb kein Erwerbseinkommen mehr aus. Dadurch stieg die monatliche Ergänzungsleistung auf Fr. 1'360.-- (act. G 3.3.57).

      Die EL-Durchführungsstelle verfügte am 10. Dezember 2016 entsprechend (act. G 3.3.56). Im 2016 war der Vater des EL-Bezügers gestorben (vgl. act. G 3.3.51). Er hatte drei Kinder hinterlassen. Die EL-Durchführungsstelle ermittelte anhand des Nachlassinventars ein Nettonachlassvermögen von Fr. 358'468.73. Sie rechnete dem EL-Bezüger einen Drittel dieses Betrages, also Fr. 119'489.--, an. Zusammen mit dem bereits früher berücksichtigten Sparguthaben von Fr. 29'647.-resultierte ein Vermögen von Fr. 149'136.--, nach Abzug des gesetzlichen Freibetrages von Fr. 37'500.-verblieb ein anrechenbares Vermögen von Fr. 111'636.--. Damit war erstmals ein sogenannter Vermögensverzehr von einem Fünfzehntel, also von Fr. 7'442.--, als Einnahme zu berücksichtigen (act. G 3.3.49). Dadurch sank die monatliche Ergänzungsleistung per 1. Juli 2016 auf Fr. 421.-- (Mindestbetrag zur Deckung der Pauschale für die Krankenkassenprämien) und per 1. Dezember 2016 auf Fr. 740.-- (act. G 3.3.47). Mit einer Verfügung vom 26. Oktober 2017 setzte die ELDurchführungsstelle die monatliche Ergänzungsleistung rückwirkend neu fest (act. G 3.3.50). Für die Periode Juni bis November 2016 resultierte eine Rückforderung von Fr. 2'260.--.

    3. Das Versicherungsgericht wies in seinem Urteil vom 22. Dezember 2017

(EL 2016/35) betreffend die Anpassung der laufenden Ergänzungsleistung per 1. März 2016 an eine Veränderung des Erwerbseinkommens die Sache zur neuen Verfügung an die EL-Durchführungsstelle zurück (act. G 3.3.31). Es ordnete an, dass von Monat zu Monat stark schwankende Erwerbseinkommen zum Anlass zu nehmen seien, die Ergänzungsleistung von Monat zu Monat anzupassen, wobei das Monatseinkommen jeweils erst für den Folgemonat anzurechnen sei, weil es ja erst gegen Monatsende ausbezahlt worden sei. Eine Anpassung der laufenden Ergänzungsleistung per 1. März 2016 sei nur möglich, wenn das Erwerbseinkommen im Februar 2016 erheblich von demjenigen abgewichen sei, das bis dahin in die Anspruchsberechnung eingesetzt gewesen sei. Die EL-Durchführungsstelle forderte den EL-Beschwerdeführer auf, die monatlichen Lohnabrechnungen des Jahres 2016 und allfällige Belege für im Jahr 2016 entstandene Gewinnungskosten einzureichen (act. G 3.3.30). Der EL-Bezüger kam dieser Aufforderung am 7. Februar 2018 nach. Er reichte die monatlichen Lohnabrechnungen der B. AG (act. G 3.3.27-5 ff.) und eine Reihe von Quittungen (act. G 3.3.27-18 ff.) ein. Die EL-Durchführungsstelle nahm eine Neuberechnung für die

Zeit ab März 2016 vor (act. G 3.3.16 ff.). Dabei berücksichtigte sie jeweils den im Vormonat erzielten Lohn. Der EL-Anspruch belief sich damit für März 2016 auf Fr. 813.--, für April 2016 auf Fr. 663.--, für Mai 2016 auf Fr. 691.--, für Juni 2016 auf Fr.

861.--, für Juli und August 2016 auf Fr. 0.-- (Einnahmenüberschuss) und für September bis November 2016 auf je Fr. 421.-- (Mindestbetrag zur Deckung der Pauschale für die Krankenkassenprämien). Ausbezahlt hatte die EL-Durchführungsstelle ab März 2016 Fr. 708.-monatlich und ab Juli 2016 (im Rahmen der Neuberechnung als Folge des Erbfalls) Fr. 421.-monatlich (act. G 3.3.48 f.). Aus der Neuberechnung unter Berücksichtigung des Monatslohns im Vormonat resultierte für März 2016 eine Erhöhung um Fr. 105.--, für April 2016 eine Rückforderung von Fr. 45.--, für Mai 2016 eine Rückforderung von Fr. 17.-- und für Juni 2016 eine Erhöhung um Fr. 153.--. Für Juli und August bestand kein Anspruch mehr auf eine Ergänzungsleistung. Da die ELDurchführungsstelle in diesen beiden Monaten den Mindestbetrag von je Fr. 421.--, der dem EL-Bezüger früher zugesprochen worden war, direkt der Krankenkasse ausbezahlt hatte, teilte sie dem EL-Bezüger mit, dass sie die entsprechende Rückforderung direkt bei der Krankenkasse geltend machen werde. Für September bis November 2016 blieb es beim Mindestbetrag von Fr. 421.-monatlich. Die EL-Durchführungsstelle erliess am

14. Februar 2018 eine entsprechende Korrekturund Rückforderungsverfügung (act. G 3.3.15). In der Verfügungsbegründung wies sie darauf hin, dass sie keine Gewinnungskosten abgezogen habe, weil der EL-Bezüger weder mit seinem eigenen Auto noch mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit gefahren sei. Der ELBezüger erhob am 6. April 2018 eine Einsprache gegen diese Verfügung (act. G 3.3.11). Seinen Ausführungen, die sich grösstenteils nicht auf den Gegenstand der strittigen Verfügung vom 14. Februar 2018 bezogen, liess sich zumindest entnehmen, dass der EL-Bezüger nicht mit der Anrechnung eines Vermögens im Umfang seines Anteils am Nachlass des Vaters einverstanden war. In einer Einspracheergänzung (act. G 3.3.9) verwies der EL-Bezüger auf einen „Gesamtarbeitsvertrag“, laut dem die Arbeitnehmer ihre eigenen Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen hätten und dafür eine Entschädigung erhielten. Die EL-Durchführungsstelle wies die Einsprache am 13. Juni 2018 ab (act. G 3.3.7). Sie begründete ihren Entscheid damit, dass der EL-Bezüger weder mit dem eigenen Auto noch mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit gefahren sei, weshalb keine Gewinnungskosten hätten berücksichtigt werden können. Da der ELBezüger keine anderen konkreten Einwände gegen die angefochtene Verfügung

erhoben habe, sei nach dem Rügeprinzip nicht näher darauf einzugehen, zumal nicht ersichtlich sei, was rechtsfehlerhaft sein könnte.

B.

    1. Der EL-Bezüger reichte dem Rechtsdienst der EL-Durchführungsstelle am 17. Juni 2018 per e-mail ein Schreiben ein, dem sich mit Ausnahme des Umstands, dass der EL-Bezüger mit dem Einspracheentscheid nicht einverstanden war, nichts zur Sache entnehmen liess (act. G 3.3.5). Der Rechtsdienst der EL-Durchführungsstelle wies den EL-Bezüger am 18. Juni 2018 darauf hin, dass der Einspracheentscheid beim Versicherungsgericht angefochten werden könne (act. G 3.3.3). Der EL-Bezüger reichte dem Versicherungsgericht am 2. Juli 2018 eine mit „Einsprache gegen den Einspracheentscheid vom 13.06.2018“ überschriebene Eingabe ein (act. G 1). Der

      Inhalt dieser Eingabe wies keinen Bezug zum Inhalt des Einspracheentscheides auf; der EL-Bezüger stellte keinen Antrag und er lieferte weder eine Sachverhaltsdarstellung noch eine Begründung. Das Versicherungsgericht forderte den EL-Bezüger nicht auf, seine Eingabe entsprechend zu verbessern.

    2. Die EL-Durchführungsstelle beantragte am 3. August 2018 die Abweisung der Beschwerde (act. G 3).

    3. Am 23. September 2018 machte der EL-Bezüger in einer mit

„Fristerstreckungsgesuch“ bezeichneten Eingabe geltend (act. G 5), er anerkenne das Dorf, in dem er wohne, nicht als Gemeinde. Er verzichte völlig auf eine „Instanz Ihrerseits“ und er betrachte den Fall als geschlossen. Die EL-Durchführungsstelle nahm dazu keine Stellung (vgl. act. G 6).

Erwägungen 1.

Zunächst ist zu prüfen, ob der EL-Bezüger rechtzeitig beim Versicherungsgericht eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 13. Juni 2018 erhoben hat. Dazu ist auf den präjudiziellen Entscheid des Bundesgerichts vom 21. September 2015 (9C_211/2015) abzustellen. Dort verwies das Bundesgericht zwar einleitend auf seine Rechtsprechung, laut der in einer Beschwerde erkennbar zum Ausdruck kommen muss, dass die betreffende Person mit der erlassenen Verfügung nicht einverstanden

ist und dass sie diese Verfügung durch die Rechtsmittelinstanz überprüft haben will (vgl. E 2.2 unter Verweis auf den Entscheid 9C_553/2008). Im damals zu beurteilenden Fall hatte die Adressatin einer Abweisungsverfügung innerhalb der Beschwerdefrist der IV-Stelle mitgeteilt, dass sie mit dieser Verfügung nicht einverstanden sei; sie hatte der IV-Stelle gleichzeitig die Einreichung weiterer Arztzeugnisse angekündigt und ihr die Namen von behandelnden Ärzten genannt. Das Bundesgericht gab dann aber das zweite Erfordernis, die Äusserung des Willens, die Sache von der Rechtsmittelinstanz beurteilen zu lassen, auf, indem es einen Willen der Verfügungsadressatin, sich erneut an die IV-Stelle zu wenden, verneinte und indem es unterstellte, dass die Verfügungsadressatin sich an die Rechtsmittelinstanz habe wenden wollen, weil nichts (!) darauf hingedeutet habe, dass sie die Verfügung nochmals durch die IV-Stelle hätte korrigiert sehen wollen. Diese Argumentation kann nur so verstanden werden, dass das Bundesgericht es genügen lassen will, wenn innert der Beschwerdefrist eine Nichteinverständniserklärung abgegeben wird, da jede innert dieser Frist abgegebene Nichteinverständniserklärung nur eine Beschwerde sein könne. Im hier zu beurteilenden Fall hat sich der EL-Bezüger innert der Beschwerdefrist an das Versicherungsgericht gewandt. Er hat seine Eingabe als „Einsprache gegen den Einspracheentscheid“ bezeichnet. Das kann nur als Beschwerde interpretiert werden. Es deutet nämlich nichts darauf hin, dass der EL-Bezüger mit dieser an das Versicherungsgericht adressierten Eingabe die EL-Durchführungsstelle hätte ersuchen wollen, den Einspracheentscheid wiedererwägungsweise zu überprüfen. Der ELBezüger hat also rechtzeitig eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid erhoben. Seine Beschwerde enthält zwar keine gedrängte Sachverhaltsdarstellung, kein Beschwerdebegehren und keine Kurzbegründung (Art. 61 lit. b Satz 1 ATSG). Angesichts der Argumentation im Verwaltungsverfahren deutet nichts darauf hin, dass er nicht einen Gerichtsentscheid vollumfänglich zu seinen Gunsten hätte beantragen und dass er zur Begründung nicht hätte geltend machen wollen, der unverteilte Nachlass seines Vaters dürfe ihm nicht als verzehrbares Vermögen angerechnet werden und das Erwerbseinkommen müsse so angerechnet werden, dass er nicht weniger, sondern mehr Ergänzungsleistungen erhalte. Da die Anforderungen an eine wirksame Beschwerdeerhebung nun sehr tief sind, muss dasselbe natürlich auch für die Anforderungen an den notwendigen Inhalt einer Beschwerde gelten. Zudem ist offenkundig, dass der EL-Bezüger aufgrund seiner Krankheit objektiv gar nicht fähig gewesen wäre, den Sachverhalt zu schildern, ein Beschwerdebegehren zu stellen und dieses zu begründen. Hätte das Versicherungsgericht den EL-Bezüger aufgefordert, das gemäss Art. 61 lit. b Satz 1 ATSG noch Fehlende nachzuliefern, obwohl es davon hätte ausgehen müssen, dass er dazu nicht fähig sein würde, und hätte es dann nach einer untauglichen Eingabe des EL-Bezügers einen Nichteintretensentscheid gefällt, so

hätte es überspitzt formalistisch und damit rechtsmissbräuchlich gehandelt. Auf die Beschwerde ist deshalb definitiv einzutreten.

2.

Der im Beschwerdeverfahren EL 2016/35 angefochtene Einspracheentscheid vom

26. April 2016 war in Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 25 Abs. 2 lit. c ELV ergangen: Die Beschwerdegegnerin hatte nach dem Eingang des entsprechenden Lohnausweises im Februar 2016 ab dem 1. März 2016 neu den im Jahr 2015 erzielten Jahreslohn angerechnet. Das Versicherungsgericht hat diesen Einspracheentscheid in seinem Urteil vom 22. Dezember 2017 aufgehoben und gestützt auf Art. 56 Abs. 2 Satz 2 VRP/SG verbindlich festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin nicht den im Lohnausweis 2015 angegebenen Jahreslohn, sondern jeweils den Lohn des Vormonats (natürlich aufgerechnet auf einen Jahresbetrag) in die Anspruchsberechnung einzusetzen habe. Die Beschwerdegegnerin hat dies umgesetzt, indem sie rückwirkend ab 1. März 2016 den jeweiligen Lohn des Vormonats angerechnet hat. Dabei hat sie nicht wie im Einspracheentscheid vom 26. April 2016 per 1. März 2016 nur einer Sachverhaltsveränderung revisionsweise Rechnung getragen, sondern sie hat per 1. März 2016 als Erstes die vom Versicherungsgericht vorgenommene Praxisänderung umgesetzt. Der damit verbundene Wechsel vom Jahreslohn 2015 zum Lohn im Februar 2016 ist also der Praxisänderung geschuldet gewesen, hat ihre Ursache also nur durch die Praxisänderung bedingt in einer Sachverhaltsveränderung in Bezug auf die Höhe der Monatslöhne gehabt. Der Wirkungszeitpunkt der Praxisänderung ist deshalb nicht in Anwendung von Art. 25 Abs. 2 lit. c ELV zu bestimmen, da es sich dabei um eine Ausführungsbestimmung zu Art. 17 Abs. 2 ATSG handelt. Weder das ATSG noch das Recht der Ergänzungsleistungen enthält eine Regelung des Korrekturinstruments zur Anpassung formell und materiell rechtskräftiger Verfügungen, Einspracheentscheide und Urteile an eine Rechtsänderung. Bei Gesetzesoder Verordnungsänderungen wird die Korrekturmöglichkeit i.d.R. im Übergangsrecht explizit geregelt (vgl. etwa lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen zur Änderung des IVG vom 18. März 2011). Wenn es keine solche Korrekturmöglichkeit gäbe, könnte das neue Recht nur auf jene Fälle angewendet werden, in denen zum ersten Mal über einen Leistungsanspruch verfügt würde. Der seine Praxis ändernde Rechtsanwender könnte also die neue Praxis nicht auf jene Fälle anwenden, in denen er in der Vergangenheit eine (Dauer-) Leistung zugesprochen hatte. Die Beschränkung der Anwendung der neuen Praxis auf erstmalige Leistungszusprachen hätte eine unerträgliche Ungleichbehandlung zur Folge, denn jene Fälle, in denen bereits eine formell und materiell rechtskräftige Leistungszusprache vorläge, könnten mangels einer verfahrensrechtlichen Möglichkeit, diese Leistungszusprache zu korrigieren, nie der neuen Praxis unterstellt werden. Die

Revision gemäss Art. 17 ATSG leistet das entgegen einer weit verbreiteten Ansicht nicht, denn ihre Anwendung ist bei einer richtigen Interpretation zwingend auf Sachverhaltsveränderungen beschränkt. Da eine Anpassung einer durch eine Verfügung, einen Einspracheentscheid ein Urteil formell und materiell rechtskräftig zugesprochenen Dauerleistung unverzichtbar ist, muss eine ausfüllungsbedürftige (verwaltungsverfahrensrechtliche) Gesetzeslücke vorliegen. Diese Lücke kann nur im ATSG verortet werden, denn die Anpassung formell und materiell rechtskräftiger Leistungszusprache an eine Praxisänderung ist nicht zweigspezifisch. Diese Lücke ist zu füllen mit der Schaffung eines Korrekturinstruments „Anpassung an geändertes Recht“. Dazu gehört auch die Regelung des Wirkungszeitpunktes einer solchen Anpassung. Naheliegend wäre eine Anpassung auf den Zeitpunkt der Einführung der neuen Praxis, also auf den Zeitpunkt, in dem der entsprechende Entscheid ergangen wäre, denn eine rückwirkende Anwendung würde schutzwürdiges Vertrauen enttäuschen. Das hätte im hier zu beurteilenden Fall aber zur Folge, dass die neue Praxis (Anrechnung des im Vormonat erzielten Lohnes) erst ab dem 1. Juni 2016 anwendbar wäre, weil das die Praxis ändernde Urteil des Versicherungsgerichts

EL 2014/51 (auf das im Urteil EL 2016/35 vom 22. Dezember 2017 verwiesen worden ist) am 24. Mai 2016 ergangen ist. Das Versicherungsgericht hätte seine neue Praxis also aus einem rein verfahrensrechtlichen Grund nur teilweise auf den vom ihm zu beurteilenden Fall des Beschwerdeführers anwenden dürfen. Das zeigt, dass der Wirkungszeitpunkt der Anpassung an die neue Praxis anders definiert sein muss. Dabei bleibt hier als einzige Möglichkeit die Beschränkung auf den Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens EL 2016/35, nämlich den EL-Anspruch des Beschwerdeführers ab 1. März 2016. Für alle anderen Bezüger laufender Ergänzungsleistungen dürfte ein schutzwürdiges Vertrauen in die weitere Anwendbarkeit der alten Praxis bis zur Publikation des Urteils vom 24. Mai 2016 anzunehmen sein. Einzig für den Beschwerdeführer muss die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die alte Praxis verneint werden, denn die Möglichkeit, überhaupt eine Praxisänderung vorzunehmen, beruht auf einem öffentlichen Interesse, das stärker ist als dieses Vertrauen. Die Beschwerdegegnerin hat die neue Praxis (Abstellen auf den Lohn im Vormonat) also zu Recht ab 1. März 2016 angewendet.

3.

    1. Die Beschwerdegegnerin hat die Bruttolöhne der Monate Februar bis Oktober 2016 korrekt in den Anspruchsberechnungen für die Monate März bis November 2016 berücksichtigt. Dasselbe gilt für die von den Bruttolöhnen abgezogenen Arbeitnehmerbeiträge. In keiner dieser monatlichen Anspruchsberechnungen hat die

      Beschwerdegegnerin Gewinnungskosten berücksichtigt, die der Beschwerdeführer selbst getragen hätte. Dem Beschwerdeführer ist nämlich gemäss dem Lohnausweis für das Jahr 2016 eine „Km-Entsch. Auto“ von Fr. 136.-ausgerichtet worden, d.h. er hat die entsprechenden Unkosten nicht selbst finanzieren müssen. Den vom Beschwerdeführer eingereichten Belegen lässt sich nicht entnehmen, dass die darin ausgewiesenen Kosten als Gewinnungskosten bei der Arbeit für die B. AG angefallen wären. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit Bürozubehör, einen Gliedermeter, einen Schutzhelm, Arbeitsschuhe mit Stahlkappen, Hausschuhe Benzin zur Fleckentfernung benötigt hätte. Einzig die Rechnung für die Reparatur bzw. den Unterhalt an einem Fahrrad könnte im Zusammenhang mit der Arbeit für die B. AG gestanden haben. Allerdings ist nicht nachgewiesen und in antizipierender Beweiswürdigung auch nicht mehr nachweisbar, dass es sich um das bei der Arbeit benützte Fahrrad gehandelt hätte und dass die Nutzung bei der Arbeit die Ursache für die Unkosten gewesen wäre. Die Beschwerdegegnerin hat deshalb zu Recht keine Gewinnungskosten zum Abzug zugelassen. In Bezug auf die Einnahmenposition „Erwerbseinkommen“ erweist sich die dem angefochtenen Einspracheentscheid zugrundeliegende Anspruchsberechnung somit als korrekt.

    2. Ab 1. Juli 2016 hat die Beschwerdegegnerin in Anwendung von Art. 17 Abs. 2

i.V.m. Art. 25 Abs. 2 lit. c ELV ein zusätzliches Vermögen von Fr. 119'489.-angerechnet. Dabei hat es sich um den Anteil des Beschwerdeführers (1/3) am Nettonachlass des Vaters gehandelt. Der Beschwerdeführer hat im Laufe des Verwaltungsverfahrens sinngemäss geltend gemacht, eine unverteilte Erbschaft dürfe nicht als verzehrbares Vermögen angerechnet werden. Praxisgemäss ist der Zeitpunkt des Erwerbs der Erbschaft und nicht der Zeitpunkt, ab dem der Erbe über seinen Erbanteil effektiv verfügen kann, für die Anrechnung massgebend (vgl. Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum ELG, bearbeitet von Urs Müller, 3. A., S. 153 N. 415). Wirtschaftlich verzehrbar ist der Anteil an einer unverteilten Erbschaft nämlich sofort, etwa durch eine Verpfändung zur Absicherung eines Darlehens, das dann zur Deckung des Existenzbedarfs herangezogen werden kann, weil die Rückzahlung aus der Erbschaft nach deren Teilung finanziert werden kann. Die Beschwerdegegnerin hat den Betrag des anrechenbaren Anteils am Nettonachlass korrekt ermittelt. Ein allfälliger Ertrag aus dem unverteilten Nachlass wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht an die Erben ausgerichtet, sondern dient der Vermögensäufnung, steht dem Beschwerdeführer also nicht als Einnahme zur Deckung seines Existenzbedarfs zur Verfügung. Die Beschwerdegegnerin hat deshalb zu Recht keinen Vermögensertrag

aus dem Erbanteil des Beschwerdeführers berücksichtigt. Der angefochtene Einspracheentscheid erweist sich also auch in Bezug auf die Einnahmenpositionen

„Vermögensverzehr“ und „Vermögensertrag“ als korrekt. Die weiteren Einnahmensowie die Ausgabenpositionen sind nicht zu prüfen, da sie mangels einer sie betreffenden Praxisänderung bzw. einer entsprechenden Sachverhaltsveränderung nicht Gegenstand des Einspracheverfahrens gebildet haben.

4.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der angefochtene Einspracheentscheid rechtmässig ist. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Entscheid

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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